Gespräch mit Taliban

Das „Krone“-Interview von Journalist Shams Ul-Haq mit dem Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid fand weltweit viel Beachtung. Im positiven wie auch im negativen Sinne. Das war zu erwarten. Indessen will die EU laut einer nach dem Sondertreffen der Innenminister verabschiedeten Erklärung keine konkrete Zusage zur Aufnahme von Afghanen machen.Artikel teilen

Die Aussage von Zabihullah Mujahid im „Krone“-Interview, das Taliban-Regime würde abgeschobene Asylwerber wieder aufnehmen, schaffte es weltweit in die Schlagzeilen. Die renommierte „Washington Post“ zitierte es, ebenso der britische „Guardian“, das deutsche ZDF, selbst Zeitungen und Newsportale in Pakistan und Indonesien berichteten über das „Krone“-Interview.(Bild: Shams Ul-Haq, Screenshots, Krone KREATIV)

Kann man diese Aussage unkommentiert stehen lassen? Nein, aus diesem Grund hat die „Krone“ in der Print-Ausgabe sowie online auf krone.at einen Begleittext dazugestellt, dass wir uns von dieser Aussage distanzieren. Abschiebungen nach Afghanistan können momentan nicht durchgeführt werden, und sie sollen auch nicht durchgeführt werden.Der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid (li.), mit Shams Ul-Haq, der vor Ort für die „Krone“ recherchiert (Bild: Shams Ul-Haq)

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, nur dann abzuschieben, wenn es „die rechtlichen Möglichkeiten hergeben“. Und weiter: „Das Wichtigste jetzt ist, die richtigen Botschaften in die Region zu senden: Macht euch nicht auf den Weg. Bezahlt nicht kriminelle Schleppernetzwerke. Wir helfen euch vor Ort in der Region.“

„Über Abschiebungen nachdenken absurd“
Auch wenn die Taliban beteuern, abgeschobene, möglicherweise straffällige Afghanen aufzunehmen und vor ein Gericht zu stellen: Abschiebungen in das von den Radikalislamisten übernommene Land sind nicht zulässig. Sie wären eine klare Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), betonte auch der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak von der Uni Wien. Dass man überhaupt über Abschiebungen nachdenke, sei „völlig absurd“. Es gehe jetzt darum, „gefährdete Menschen herauszubekommen.“

Keine konkrete EU-Zusage zur Aufnahme von Afghanen
Indessen will auch die EU vorerst keine konkreten Zusagen zur Aufnahme von Menschen aus Afghanistan machen. „Anreize zur illegalen Migration sollten vermieden werden“, heißt es in einer am Dienstag bei einem Sondertreffen der Innenminister verabschiedeten Erklärung. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen seien die EU und ihre Mitgliedstaaten entschlossen, eine Wiederholung von großen und unkontrollierten illegalen Migrationsbewegungen zu verhindern.

Damit wurde auf die sogenannte Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/2016 angespielt. Damals kamen Millionen von Migranten in die EU. Viele von ihnen stammten aus Syrien, wo 2011 ein Bürgerkrieg begonnen hatte.

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Um eine ähnliche Entwicklung nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zu vermeiden, soll laut der Erklärung nun sichergestellt werden, dass notleidende Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft Afghanistans angemessen Schutz erhalten. Zudem werden unter anderem gezielte Informationskampagnen gegen die Narrative von Menschenschmugglern als geeignetes Instrument genannt. Die Ansiedlung schutzbedürftiger Afghaninnen und Afghanen („Resettlement“) soll demnach nur dann erfolgen, wenn EU-Staaten dafür freiwillig Plätze anbieten.

Nehammer begrüßt „klare Botschaft“
Die Annahme der Erklärung begrüßte Nehammer. „Es ist tatsächlich gelungen, ein wichtiges Signal“ zu senden, sagte er nach dem Treffen mit Verweis auf Hilfe vor Ort und in der Region. Die „klare Botschaft“ an die Menschen sei, „machen sie sich nicht auf den Weg“ nach Europa.Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) (Bild: APA/BKA/Florian Schrötter)

Der ÖVP-Politiker sprach von einer „sehr emotionalen Diskussion“ bei dem Treffen. Aber selbst der für Migration zuständige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn habe sich am Ende „kompromissbereit“ gezeigt, so Nehammer. Asselborn hatte zeitweise gedroht, die EU-Erklärung wegen aus seiner Sicht unzureichender Unterstützungszusagen zu blockieren. Seiner Ansicht nach sollte die Europäische Union „40.000 bis 50.000 Resettlement-Plätze für afghanische Flüchtlinge“ zur Verfügung stellen.

US-Abzug vollständig: Ende der Evakuierungen
Am Dienstag endete mit der Abreise des letzten US-Soldaten der 20 Jahre dauernde Krieg der USA in Afghanistan. Bei ihrem Abzug haben die US-Truppen zahlreiche Flugzeuge und gepanzerte Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem auf dem Flughafen von Kabul funktionsunfähig gemacht, damit diese nicht in die Hände der Taliban oder anderer islamistischer Gruppen fallen.Major General Chris Donahue war der letzte US-Soldat, der in das letzte Evakuierungsflugzeug stieg.(Bild: US Central Command)

Die Taliban wünschten sich gute Beziehungen mit den USA und der Welt, sagte Taliban-Sprecher Mujahid. Man hoffe, dass Afghanistan nie wieder besetzt werde und das Land wohlhabend und frei bleibe – eine Heimat für alle Afghanen, die islamisch regiert werde.

113 Österreicher außer Landes gebracht
Mit dem US-Abzug endete auch die militärisch gesicherte Evakuierung von US-Bürgern, Verbündeten und schutzbedürftigen Afghanen. Laut Außenministerium wurden bisher 113 Österreicher und Menschen mit Aufenthaltsberechtigung außer Landes in Sicherheit gebracht. Weiterhin warten aber noch einige Dutzend auf die Ausreise, und täglich kommen laut Außenministerium neue Anfragen dazu.

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