Inmitten wachsender Spannungen zwischen Israel und dem Iran schätzt Terrorismus-Experte Shams Ul Haq die potenziellen Gefahren einer Eskalation ein. Was für die Region auf dem Spiel steht.
Was sind die Hauptursachen für die jüngsten Spannungen zwischen Israel und dem Iran?
Die Hauptursache liegt sehr im iranischen Bestreben, sich machtpolitisch zu profilieren und als Anwalt der Palästinenser zu positionieren. Das geschieht konkret vor allem durch die Jahre lange militärische Unterstützung der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon, die auch im Verlauf des aktuellen Gaza-Konflikts Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert hat. Aktuell ergeben sich Spannungen durch den Terroranschlag in der iranischen Stadt Kerman am 3. Januar, der 89 Tote forderte. Der Anschlag fand im Rahmen einer Gedenkfeier des iranischen Generals Kassim Soleimani statt, der am gleichen Tag vor vier Jahren bei einem Drohnenangriff des US-Militärs im Irak getötet wurde.
Obwohl kurz darauf die Gruppe Islamischer Staat (ISIS-K) von Khorasan die Verantwortung für die Tat übernahm, wirft das iranische Regime den USA und Israel vor, für dieses Attentat verantwortlich zu sein, da nach Meinung iranischer Fachleute vor allem die USA diese Terror-Gruppe finanziert.
Wie könnte der Gaza-Konflikt die Beziehungen zwischen Israel und dem Iran beeinflussen?
Die Beziehungen sind bereits seit langem sehr schlecht. Sie könnten allerdings von einer Phase des „kalten Krieges“ in eine heiße übergehen. Bislang hält sich der Iran zurück, direkt in den Gaza-Konflikt einzugreifen. Aber Teheran beschuldigt Israel und die USA, den Iran in eine militärische Konfrontation hineinziehen zu wollen. Die Nachrichtenagentur Tasnim, der Medienzweig der Revolutionsgarden, behauptete bezogen auf das Kerman-Attentat, dass „Israel dem IS befohlen habe, die Verantwortung für den Angriff zu übernehmen.“
Der frühere iranische Regierungssprecher und Reformpolitiker Ali Rabiei äußerte zudem, dass der israelische Mossad die Gruppe möglicherweise infiltriert habe. Die US-Regierung wies aber Spekulationen über eine amerikanische oder israelische Urheberschaft zurück. „Die Vereinigten Staaten waren in keiner Weise beteiligt, und jede gegenteilige Behauptung ist lächerlich“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller.
Welche Rolle spielen regionale Akteure wie die Hisbollah und die Huthi-Milizen in diesem Konflikt?
Die Huthi-Milizen gelten, ebenso wie die Hisbollah, als verlängerter Arm des iranischen Regimes, das schiitische Bestrebungen im gesamten Nahen Osten unterstützt. Die separatistischen Huthi-Milizen beschossen vom Jemen aus im November die israelische Hafenstadt Eilat. Seitdem haben sie mehrfach im Roten Meer ausländische Frachter mit Raketen und Drohnen angegriffen. Die Hisbollah agiert von von Libanon aus und beschießt von dort Ziele in Nord-Israel. Beide Attacken werden derzeit durch israelische und US-amerikanische Bombenangriffe beantwortet.
Wie wahrscheinlich ist eine militärische Eskalation und was wären die Folgen?
Aktuell wird eine direkte militärische Eskalation zwischen Israel und dem Iran als unwahrscheinlich eingeschätzt. Insbesondere auch deshalb, weil der Iran im Moment jegliche Konfrontationen mit den USA vermeiden möchte und ein Eingreifen des US-Militärs unvermeidlich wäre, sollte Israel von iranischen Stellungen aus bombardiert werden. Allerdings besteht immer noch die Gefahr eines Stellvertreterkriegs, der von Terrorgruppen durchgeführt werden könnte und sich gravierend auf die gesamte Region auswirken könnte.
Welche diplomatischen Lösungen könnten zur Deeskalation beitragen?
Um eine diplomatische Lösung in diesem Konflikt herbeizuführen, benötigt es einen Vermittler, der sowohl von israelischer als auch von iranischer Seite aus respektiert wird. Zusätzlich gilt es, auch die verschiedenen Gruppierungen, wie Hisbollah, Huthi-Milizen oder den ISIS-K zu einer dauerhaften Waffenruhe zu bewegen. Das wird schwierig werden, weil die einzelnen Lager verfeindet ist und der Krieg im Gaza-Streifen einen jahrelang schwelenden Konflikt zum Überlaufen brachte. Die Rolle eines Vermittlers kann also nur jemand einnehmen, der von allen Seiten geschätzt wird.